Stilmittel vs Bildqualität - Eine Grundsatzdiskussion

  • @hocky,


    ich sehe da auch nicht den Kameramann in der Verantwortung - das ist ein Techniker und der macht sicherlich einen soliden Job.


    Sondern die, welche nach ihm kommen - die "Künstler".

    Ja weiß ich nicht. Jemandem das Können abzusprechen, nur weil einem das Endergebnis nicht gefällt finde ich ein wenig vermessen. Insbesondere im künstlerischen Bereich wo es ja gar kein "richtig" und "falsch" gibt.

  • ich sehe da auch nicht den Kameramann in der Verantwortung - das ist ein Techniker und der macht sicherlich einen soliden Job.


    Sondern die, welche nach ihm kommen - die "Künstler"

    Der operator, welcher die Kamera bedient, ist in der Tat ein Techniker ohne Entscheidungsbefugnis. Derjenige, welcher später den Oscar für "Beste Kamera" bekommt, ist der director of photography, der normalerweise nie an der Kamera steht, sondern primär die Ausleuchtung bestimmt. Er ist der bestbezahlte "Technische" in der Crew und setzt den vom Regisseur gewünschten Look um, berät ihn aber auch.

  • Wenn man sich in der IMDB mal ansieht, welche Kameras für 'Babylon' u.a. verwendet wurden - Bell & Howell 2709 - da könnte ich mir schon vorstellen, dass mit dieser Kamera von "anno dazumal", es auch für einen erfahrenen Kameramann eine echte Herausforderung ist, die Schärfe in der gewohnten Weise nachzuführen. 


  • Wenn man sich in der IMDB mal ansieht, welche Kameras für 'Babylon' u.a. verwendet wurden - Bell & Howell 2709 - da könnte ich mir schon vorstellen, dass mit dieser Kamera von "anno dazumal", es auch für einen erfahrenen Kameramann eine echte Herausforderung ist, die Schärfe in der gewohnten Weise nachzuführen. 


    Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass die Unschärfe und der damit erzielte Effekt genau so gewollt ist wie er nun auf der Scheibe ist.

  • Hier gibt es einen interessanten Artikel zur Entstehung von "Babylon". Da wird auch folgendes erwähnt:


    Zitat


    As with all low light scenes, I shot it at T2, and it’s a really shallow depth of field — which was a great challenge for Jorge, but lucky for us, he is a really masterful focus puller. On La La Land, we would take a whole day to rehearse shots like that, but on this production, we had so many shots like this, and a tight schedule, so we had to spend most of our time shooting.

    ...

    This naturalistic approach was taken to an extreme for a night scene in the desert. When LaRoy’s deadbeat father (played by Eric Roberts) brags about fighting a snake, she challenges him to do it again, and the partygoers travel to the desert at night to find a rattlesnake for him to battle. The scene is lit primarily with the surrounding cars’ headlights, lamps to provide a bit more exposure. “I added a condor holding a large, soft, silk moonlight, at 3 stops under, but the main light for the scene was provided by the headlamps, which were more like narrow beam headlights,” says Sandgren. “Looking at the people backlit was flare-y and when we were looking out into the desert from the cars, everything was front lit, but we embraced that. I didn’t mind it feeling a little flat [because] it felt real.


    Sowas dachte ich mir schon. Die dunklen Szenen sehen genauso aus und erinnerten mich sofort an diverse Szenen von Kubrik, der ja auch gerne mal mit dem Licht filmte, das eben da war. Die hellen Szenen draußen sehen dagegen häufig deutlich besser aus.


    Und sie haben die Optiken bewusst zerkratzt, um einen Blooming-Effekt zu erzielen, so wie man ihn häufig in älteren Filmen sieht:


    Zitat


    To customize Orion anamorphics for Sandgren, Atlas Lens Co. president and lead designer Forrest Schultz says he “tried to replicate the messed-up surfacing that a lot of older optics get through years of cleaning, scratches, fungi, etc. I applied some micro-scratching into the coating, not entirely taking it off. I isolated a single element from the design and de-polished the surface of the element by hand, using cerium-oxide slurry and steel wool.

    “Each Orion received the same treatment, although the amount and intensity of the de-polish varied so that the effect would be equally pronounced on each focal length,” he continues. “The effect was very subtle — when you’d look at the element by eye, you wouldn’t really see it. On camera, however, it was immediately apparent. The lens would bloom on very strong sources and areas of high contrast, which is why Linus preferred it over a filter on the lens. It seemed to respond dynamically, so pointing at windows of bright sun brought out a natural-looking halation. It didn’t affect the resolution, either — there was no real softening effect.”


    Da wurden also bewusst jede Menge Stilmittel eingesetzt. Es steht zwar nichts explizit über die Auflösung, aber Objektive werden bei Offenblende (dunkle Szenen) immer unschärfer, das kennt jeder, der fotografiert. Ich denke, das wurde einfach in Kauf genommen, um den speziellen "Look" zu erzeugen. Muss man nicht mögen, Unvermögen steckt da aber ganz sicher nicht drin. Das waren alles bewusste Entscheidungen.

  • Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass die Unschärfe und der damit erzielte Effekt genau so gewollt ist wie er nun auf der Scheibe ist.

    Ja, das scheint mir nun auch eindeutig so gewollt.


    Interessanter wäre aber noch die Frage: Hat der gezielte Einsatz 'alter Technik' auch die gewünschte Wirkung auf den Zuschauer? Bzw. honoriert dieser das, oder fühlt sich mehr in diese Zeit versetzt? (Ich habe den Film noch nicht gesehen)

  • Nein, es ist doch möglich, dass es jetzt eben genau so aussieht wie es aussehen soll. Selbst mit dem 10fachen Budget.

    Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass die Unschärfe und der damit erzielte Effekt genau so gewollt ist wie er nun auf der Scheibe ist.


    Ja, es ist möglich - und vermutlich sogar wahrscheinlich - dass es jetzt eben genau so aussieht wie es aussehen soll.

    :!:


    Das Ziel war doch nicht eine niedrigere Bildschärfe, sondern einen bestimmten Look zu bekommen. Ersteres ist ein Nebeneffekt, aber doch kein Ziel.


    Ein so maßgeblicher Faktor wie die Bild-un-schärfe soll nur ein Nebeneffekt sein?

    Die Bild-schärfe bzw. ihre Abwesenheit ist ein integraler Bestandteil des Looks, sonst hätte man sie auch nicht ruinieren brauchen.


    Also:

    Es war eine willentliche Entscheidung des "Künstlers" diesen Bild-un-schärfe-Look zu verwenden.

    In diesem Fall war der "Künstler" also nicht nur unwillig um damit Aufwand zu vermeiden, es war eine vorsätzliche Tat.

    Das finde ich sogar noch schlimmer!

    :byebye:


    EDIT:

    Gerade den Beitrag von Nils gelesen.

    Ja, hier wurde Aufwand getrieben um einen "Look" zu erzeugen, der objektiv (!) als schlechtere Bildqualität einzuordnen ist.

    Ich hoffe, dass das nicht Nachahmer findet ...

  • Daher gilt für mich:

    Stilmittel = Bildqualität

    Damit sind wir wieder hier:


    Ein Buch verliert bei mir nicht, bloss weil die Druckmaschine sämtliche e und p schlechter abbildet, als die restlichen Buchstaben.

    Du villeicht nicht, aber wenn azAZ09 unscharf gedruckt wurde, wird es doch einige Stimmen geben, welche das Druckbild kritisieren.
    Les nochmal nach: Ich hab nicht den Film kritisiert, sondern die Bildqualität (= Druckbild bei Deinem Vergleich).


    Und Aries schrieb es schon: Film lebt von mehr als nur dem Inhalt. Oder warum betreiben wir den ganzen Aufwand? Gings nur um den Inhalt, könnten wir uns die Filme auch auf einem TV mit Mono-Ton ansehen.

    Sind die Produzenten willens, den Aufwand für eine hohe Bildqualität zu treiben?

    Wahrscheinlich oft nicht.
    Mit verrauschtem Bild, ahem künstlichen Filmkorn kann schlechtes CGI überdeckt werden, generell ist der Aufwand für Maske, Bühnenbau, usw. geringer.

    Bei den CGI Effekten ist ja bekannt, dass ein 2K Rendering deutlich günstiger kommt.

    Es wird schon auch eine Frage des Aufwandes sein.

  • Hat der gezielte Einsatz 'alter Technik' auch die gewünschte Wirkung auf den Zuschauer?

    Kommt darauf an. Der Cineast weiß es sicherlich zu würdigen, vielleicht auch nur unbewusst.

    Noch konsequenter wäre Schwarzweiß gewesen wie bei The Artist. Bei dem Budget aber hätte wahrscheinlich das Studio ein Veto eingelegt.


    Miller musste Mad Max Fury Road auch in Farbe drehen, hat aber dann wenigstens die Black&Chrome Fassung nachgelegt.


    Zuschauer wie mankra oder aries sehen wohl nur die "schlechte" Bildqualität.

  • Nichtsdestotrotz, ja, ich erkenne schlechte Bildqualität, und sie vermindert für mich (von Ausnahmen abgesehen) den Filmgenuss.

    100% Zustimmung.


    Vor allem deswegen, weil man - anders als bei allen anderen "Stilmitteln"- bei Unschärfen ständig daran denkt, man hätte ein Problem mit seinem Equipment.


    Bei mir:

    • Ich unterbreche den Film und prüfe ob sich der Fokus verändert hat.
    • Nein, Testbild okay.
    • Nach 10 Minuten: Das kann doch unmöglich so gewollt sein.
    • Wieder den Film anhalten und schauen, ob die Linse verdreckt ist. Nein, alles in Ordnung.
    • Entscheidung: Film abbrechen, sich über den Kauf ärgern und die "Künstler" verfluchen, welche auf derartig blöde Ideen kommen. UHD/ BD ins hinterste Regal stellen, denn sowas kann man auch guten Gewissens nicht weiterverkaufen.

    LG


    Uwe

  • Es ist nun einfach so, dass es gewisse Standards gibt, die auch in der Frühzeit des Films angewendet wurden: die Hauptprotagonisten einer Szene sind gut ausgeleuchtet ( bzw. das ganze Set) und die Schärfe passt auf den Punkt. Was teilweise heute runtergekurbelt wird, ist absolut unter diesem Standard ! Ich weiß gar nicht wie oft es Szenen in modernen Produktionen gibt, bei denen die Schärfeebene total falsch gesetzt ist....und mangels Qualitätskontrolle oder Vermeidung zusätzlicher Kosten bleiben diese Szenen in der Endfassung. Man erschließt komplette digitale Welten, schafft es aber nicht, alle Shots auf gleichbleibendem Niveau abzuschließen. Das ist für mich ein echter Makel. Dazu gehören aber nicht die Szenen, die bei natürlichem Licht mit Offenblende und daraus resultierender Tiefenunschärfe abgedreht werden. Solange der Schärfepunkt da richtig gesetzt wurde, ist das eine kreative oder evtl. technisch notwendige Entscheidung. Aber wenn ich erkenne dass ein Film diese Standards wegen Unfähigkeit/Zeitdruck nicht einhält, so ist für mich eine Abwertung der Bildqualität legitim. Colorgrading und künstlich zugefügtes Rauschen sind dagegen Stilmittel, die man entweder gut findet oder hasst.....wird da übertrieben, ist eine Abwertung in der Bildnote auch zu respektieren, wenn sie auch in diesem Fall subjektiv ist.

  • Eine "Abwertung" ist immer legitim wenn es nicht gefällt.


    Bei Millionen Budget Filmen ist zu 99,9% die Schärfe genauso wie das kreativ Team es wollte.

    Da gibt es wenig was dem Zufall überlassen wird.


    Es gibt vielleicht vereinzelt Szenen wo eine super schnelle Kamerafahrt, Flugaufnahmen, ... nicht ganz sitzen von der schärfe aber wenn es sich über einen ganzen Film zieht und auch Stativ Aufnahmen von kaum beweglichen Motiven betrifft, dann war das gewollt. Oder div. Substanzen geschuldet, aber i.d.r. auch gewollt.


    mfg

  • Aries


    Das Bild von Oblivion gefällt mir immer noch und wenn ich ehrlich bin habe ich, obwohl ich es wusste, die Fehler während des Films nicht entdeckt. Ich war wahrscheinlich wieder zu sehr „im Film“.


    Aber anscheinend geht es ja immer noch besser und was damals gut war kann ja immer noch besser werden, daher der Hinweis zur DVD.

  • Die dunklen Szenen sehen genauso aus und erinnerten mich sofort an diverse Szenen von Kubrik, der ja auch gerne mal mit dem Licht filmte, das eben da war. Die hellen Szenen draußen sehen dagegen häufig deutlich besser aus.

    an eben jenen musste ich auch denken..

    Vermutlich machte er das nicht deshalb so, weil ihm die Miete für ein paar Studioscheinwerfer zu teuer war..

    Gings nur um den Inhalt, könnten wir uns die Filme auch auf einem TV mit Mono-Ton ansehen.

    stimmt!


    Es gibt auch die Sichtweise, dass der aufgepfropfte Rest, von 3D bis Atmos etc, lediglich der Befriedigung einer kleinen, hoch solventen 'schneller, höher, weiter' -Kundschaft dient und die Kunstform Film gewissermassen zu nem massgeschneiderten 120min UltraHD-was geht- Trailer für Nobel-HK-Equipment degradiert .


    - sowas dürfte man natürlich in einem HK -Forum nie schreiben, sonst ginge die Defätisten -Schublade nie mehr zu :rofl:


    :zwinker2:

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!