• "Howard Robard Hughes Jr. (24. Dezember 1905 - 5. April 1976) war ein US-amerikanischer Luft- und Raumfahrtingenieur, Geschäftsmann, Filmemacher, Investor, Philanthrop und Pilot. Er war zu Lebzeiten als einer der einflussreichsten und reichsten Menschen der Welt bekannt." sagt die wikipedia. Achtung ab hier: Handlungs-Spoiler ahead, ohne geht es einfach nicht sinnvoll, ist aber auch für Nicht-kenner zu verschmerzen.


    Film: 8,5/10 - Martin Scorseses "Biopic" behandelt einen Ausschnitt aus der Karriere von Howard Hughes (Oscar-nominiert: Leonardo DiCaprio) etwa von Ender der 1920er bis Ende der 1940er. Hughes ist zu Beginn von Scorseses Film damit beschäftigt, seinen größten Kinofilm - und den mit Abstand teuersten Film dieser Zeit - "Hell's Angels" abzudrehen, verschiebt ab da sein Interesse aber zunehmend Richtung Luftfahrt.

    Und herrjeh, man wird derart in die Handlung hineingeworfen dass es einem vorkommt wie auf einem stürmischen Transatlantikflug - und das bleibt mehr oder weniger über die gesamte Laufzeit von beinahe drei Stunden so. Hughes engagiert Noah Dietrich (John C. Reilly) als rechte Hand um sein Geschäftsimperium zu führen. Kurz darauf, aus einem Impuls heraus, den Meteorologen Professor Fitz (Ian Holm) - der Hughes vorhersagen soll wann er Wolken als Kulisse für seinen Fliegerfilm bekommen kann. Und so geht es munter - und atemlos - weiter und weiter. Bald nach Hell's Angels ist Hughes für längere Zeit mit Katharine Hepburn (Oscar für Cate Blanchett) zu sehen, die sich nach Kräften müht, ihm durch die schlimmeren Phasen seiner Zwangsstörung zu helfen.

    Als Hughes sich zunehmend der Luftfahrt zuwendet, kauft er still und heimlich Aktien an TWA, bis er schließlich Mehrheitseigner ist und sich fortan in die Rivalität mit Pan Am (unter der Leitung von Juan Trippe (Alec Baldwin) stürzt. Dieser Teil der Handlung gipfelt schließlilich in einer spektakulären Senatsanhörung vor Senator Ralph Owen Brewster (Oscar-nominiert: Alan Alda), in der Hughes erbittert dafür streitet, Transatlantik Flüge aufnehmen zu können ...


    Ehrlicherweise passiert so wahnsinnig viel in Scorseses Biopic, es treten so wahnsinnig viele Schauspieler auf - und wieder ab - dass es schlicht nicht möglich ist, das mal eben in zwei, drei Absätzen zusammenzufassen. Entsprechend sei mein wirrer Versuch es doch zu tun bitte entschuldigt ;) Augenmerk sollte man darauf legen, dass, von künstlerischen Freiheiten abgesehen, der Film doch recht genau über diesen Ausschnitt aus dem schillernden Leben Hughes' berichtet.

    So hat sich DiCaprio etwa sehr intensiv mit Zwangsstörungen auseinandergesetzt um diesen wichtigen Aspekt gut zu portraitieren, Blanchett mehr als intensiv trainiert um Hepburns upperclass-Akzent zu sprechen und Großteile der Handlung wie sein spektakulärer Flugzeugabsturz sind historisch korrekt. Hughes ist kein sympathischer Mensch und - das macht den Film vielleicht etwas sperrig - wird auch nicht als solcher dargestellt. Getrieben von Zwangsstörungen, schlimmer werdender Taubheit und chronischen Schmerzen erhalten wir vielmehr einen faszinierenden Einblick in das Leben eines ruhelosen Genies.


    Bild: 8/10 - von diesem Werk wünsche ich mir ganz dringend eine Neuauflage in 4K. Die Kameraarbeit von Robert Richardson (Oscar für Aviator, u.a. häufig für Scorsese oder Tarantino hinter der Kamera) ist einfach wunderbar hätte es ganz dringend verdient. Denn neben sehr gut gemachten 90% des Films gibt es hin und wieder Einstellungen die so faszinierend sind, dass man im Kopf zwanzig Sekunden zurückspult um sich, völlig verzaubert, das "noch mal anzusehen". Der Schnitt von Thelma Schoonmaker (Oscar, gleichfalls regelmäßig für Scorsese am Schneidetisch) ist auf den Punkt und passt hervorragend zum gehetzten Protagonisten, wenn man sich dagegen lieblose Massenware aus dem aktuellen Kinojahr anschaut ...

    Definitiv interessant ist die Entscheidung Scorseses und Richardsons, den Film über große Teile der Laufzeit in genau die Technicolor Farben zu tauchen, die es in dieser Zeit zu sehen gab. Also nein, werte Filmschauende, an eurem Beamer ist nix kaputt, das Bild gehört so. Passend zur aktuellen Korn/Kein-Korn und Restaurations-Diskussion hier dürfte das Statement der beiden Herren recht eindeutig ausfallen. Evtl. ein bisschen schade nur ist, dass man das Art- und Kostümdesign (beides erhielt den Oscar) gar nicht in voller Pracht bewundern kann.

    Die nackte Technik in einem Satz: das Bild ist leidlich scharf und es ginge ganz sicher schon auf FullHD mehr als auf dieser Scheibe, unterm Strich ist es aber gerade noch okay. Wenn da nicht die B Note wäre, die erheblich Schub von unten gibt :)


    Ton: 7/10 - der englische DTS HD Master Ton (Oscarnominierung für den Sound Mix) ist grundsolide, fährt in den passenden Szenen die Surroundkulisse hoch, geizt nicht mit Bassattacken - wofür sich PS-starker Überflüge sei dank reichlich Gelegenheit bietet -- aber hier und da leider auch etwas blechern und krachend. Manchesmal gibt es unvermittelt Surroundaktivität, die einen wunderbar in den geplagten Kopf von Hughes versetzt und die sehr effektiv gemacht ist. Ganz und gar sperrig ist diesmal der Score von Howard Shore geworden, der sich weitgehend von schmeichelhaften Klängen verabschiedet hat und einen gegen-den-Strich gesetzten Soundtrack auffährt, der ganz trefflich zum Charakter von Hughes passt - den man aber wohl eher nicht in einer ruhigen Minute bei einem Glas Wein hören möchte. Ganz großartig empfand ich die Idee, eine längere Sequenz mit Bachs berühmter Toccata und Fuge zu unterlegen - diese aber vom Orchester und nicht von der Orgel spielen zu lassen.


    + + +


    Ich liebe Popcorn-Film-Scheiß. Technikdemos. Dumme Unterhaltung.

    Aber bei einem Film wie dem Aviator tut mir vor Freude das Herz ein klein bisschen weh 😊

  • Wirklich wieder ein toller Bericht von dir. Obwohl mich Aviator nicht so gecatched hat, animiert mich dein Bericht direkt zu hinterfragen, ob ich einfach nicht alles verstanden habe und ihn noch einmal zu schauen :big_smile:

  • Wirklich wieder ein toller Bericht von dir. Obwohl mich Aviator nicht so gecatched hat, animiert mich dein Bericht direkt zu hinterfragen, ob ich einfach nicht alles verstanden habe und ihn noch einmal zu schauen :big_smile:

    Da hatte ich es zum Glück einfacher, weil ich den Film schon beim allerersten Mal mochte. Dennoch: DiCaprio spielt häufig ein wenig ähnliche Figuren, das kann einem auf die Nerven gehen - vor allem hier. Wenn man dann aber liest, dass er sich über Wochen mit Zwangsstörungen auseinandergesetzt hat, mit Betroffenen gesprochen hat, Ärzte konsultiert hat ... dann wird aus "ein bisschen anstrengend" ganz schnell "ja, so war das bzw. ist das".

    Oder wenn man versucht rauszufinden warum das Bild so seltsam nach CGA Grafik aussieht und dann die Gründe nachliest, wirft das ein ganz anderes Licht auf alles; ganz vergessen oben - auch die Beleuchtung im Film zollt ihren Tribut an diese Zeit und ist mir als selbstverständliches Detail schon unter die Räder gekommen. Bei mancher Sequenz dachte ich "dat is jetzt schon ein bisschen drübber" um dann nachzulesen, dass es tatsächlich _genauso_ war. So munkelt man etwa, dass Hughes bis zu seinem Lebensende jährlich an die Marine gespendet hat; aus Dankbarkeit weil ihn ein Soldat der zufällig in der Gegend war aus dem Flugzeug-Wrack gezogen hat - wo man beim sehen, als atemlose Einstellung unter vielen maximal denkt "häh, wie jetzt?" - und dann liest, dass es so war.


    Ich hatte direkt davor Expendables 4 gesehen - das dürfte so ziemlich in jeder Hinsicht der Gegenentwurf sein - und war vielleicht auch cineastisch erschöpft von ... ja, was? Lieblos will ich gar nicht unterstellen, aber irgendwie doch. Modelle statt billiger CGI, perfekt choreographierte Sequenzen mit zig Statisten statt hektisch geschnittenem Wackel-Kamera-Zeugs, hingebungsvoll nachgestellte Abschnitte statt hingeschustert-hirnlosem 08/15 Gedönse. Man muss auch ein bisschen in der Stimmung sein, alleine ob der Laufzeit.

    Ich würde Hughes, denke ich, in mancher Hinsicht mit Elon Musk vergleichen. Ganz sicher hat der schwer einen an der Klatsche und niemals nie würde ich etwas mit ihm zu tun haben wollen, geschweige denn für ihn arbeiten. Aber eine faszinierende Persönlichkeit, die ein Leben so unglaublich weit weg von dem eigenen führt, dass man dann doch auch ganz dankbar an seinem bescheidenen Schreibtisch sitzt und übers heimkinoverein Forum Gedanken mit Gleichgesinnten austauscht statt das ganz große Ding zu drehen. _Das_ ist eben auch Aviator 🛫

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