Ich nenne es mal „Unumkehrbarkeit“: Schon in dem Moment, in dem die Lüge ausgesprochen wurde, ist dessen Effekt nicht mehr rückgängig zu machen. Dabei finde ich interessant, dass die Auswirkung der Lüge einzig und allein in der Gesellschaft und deren Köpfen stattfindet und von Lucas (dem Opfer) und Klara (der Auslöserin) nicht mehr zu beeinflussen oder rückgängig zu machen ist, obwohl ja nur diese beiden direkt betroffen sind.
Egal was Klara sagen könnte, selbst als erwachsene und damit vermeintlich glaubwürdigere, Frau, würde die Situation nicht mehr positiv beeinflussen können, da man immer „Verdrängung“ unterstellen würde. Lucas ist, als vermeintlicher Täter, ja sowieso nicht glaubwürdig und kann, wie wir am Ende sehen, nie wieder ein vollwertiges Mitglied seiner Gesellschaft sein.
Die Lüge verändert unsere Wahrnehmung und durch diese Voreingenommenheit, ist es unmöglich, dass Lucas jemals wieder „unschuldig“ wird. Durch diese neue Information (also was er getan haben soll), wird jede Tat von Lucas auf DEI Goldwaage gelegt und am Ende wird sie immer bestätigen, was wir glauben möchten. „Bei dem hatte ich ja schon immer ein schlechtes Gefühl...“, „Ich hab mich immer gefragt, wieso ein Mann so einen Job macht...“.
Die Befragung von Klara durch den Freund der Kindergärtnerin dient eigentlich nur noch der Bestätigung bereits getätigter Aussagen. Es werden nur geschlossene Fragen gestellt, die eigentlich nur zufriedenstellend beantwortet werden können, wenn Klara die „Tat“ bestätigt. Also ist schon hier nichts mehr rückgängig zu machen.
Offensichtlich haben die Eltern der anderen Kinder ihre Kinder auf eine ähnliche Art befragt und so kommen diese auf ein ähnliches Ergebnis, ohne das überhaupt eine Verbindung zu Lucas besteht. Das alle ein und den selben, nicht existierenden Keller beschreiben, ist für mich eine Interessante Parallele zu der „Gesellschaft der Erwachsnen“.
Dadurch, dass die Eltern bereits voreingenommen sind, ist es egal was die Kinder antworten oder wirklich erlebt haben. Jedes Wort wird so aufgefasst, dass es die bereits existierende Meinung bestätigt.
NICHT LESEN BEVOR DER FILM GESCHAUT WURDE:
Am Ende wird Lucas signalisiert, dass er nach wie vor nicht in der Gesellschaft erwünscht ist. Aus der vorangegangen Szene können wir eigentlich sehen, dass es quasi jeder sein könnte. Am ehesten Auszuschließen ist Theo, also Klaras Familie. Das zeigt für mich eindrücklich, wie Leute das vermeintliche Problem anderer, zu ihrem eigenen Problem machen. Wie Informationen, egal wie unglaubwürdig die Quelle ist, oder ob diese Quelle die Information schon lange revidiert hat, die Menschen beeinflusst.
Ich erkenne hier viele, leider oft traurige, Parallelen, zum echten Leben und der Geschichte (gerade auch unseres Landes).
Das gesprochene oder geschriebene Wort hat enorme Auswirkungen, was es umso wichtiger macht, damit verantwortungsvoll umzugehen.