Die zwölf Geschworenen / Twelve angry men

  • Film: 8,5/10 - "Das Urteil muss einstimmig sein!" gibt der Richter den zwölf Geschworenen als Schlussworte in einem Mordprozess zurück. So ziehen sich die Herren alsdann zur Beratung zurück. Der Fall liegt klar, also dürfte die Beratung der gut gelaunten Männer nicht allzu lang ausfallen. Doch während elf Jurymitglieder "schuldig" stimmen, sieht Juror 8 (Henry Fonda) das anders. In einem engen und stickigen Raum am heißesten Tag des Jahres, Klimaanlage und Ventilator kaputt, wird die Beratung nun wohl sehr viel länger andauern als gedacht ...

    Reginald Rose war Jurymitglied in einem Totschlagprozess und wurde dadurch zu seinem Drehbuch inspiriert, das ursprünglich fürs Fernsehen geplant und adaptiert wurde. Der Erfolg war so groß, dass Henry Fonda beschloss eine Kinoversion zu produzieren. Dafür holten er und Rose Sidney Lumet an Board und hatten das Ding nach nur drei Wochen im Kasten. Leider floppte die Kinoversion derart, dass Fonda und Lumet ihre Gehälter zurückstellten. Auch nachdem es zahlreiche Nominierungen und einige Gewinne begeherter Preise wie Oscars, Globes und BAFTAs gab, brachte United Artists den Film nicht erneut in die Lichtspielhäuser - ein Jammer!

    Je nun, Paradebeispiel für so vielen Dinge, dass der Film mit seiner kurzen Laufzeit von rund anderhalb Stunden aus der Top5 der imdb einfach heraussticht. Gruppendynamik? Das amerikanische Rechtssystem? Schuld und Unschuld? Filmschule? Kamera? Drehbuch? Alle bitte hier entlang. Ein wahnsinnig gutes Kammerspiel!


    Bild: 8/10 - beinahe 70 Jahre haben die Geschworenen auf dem Buckel und für dieses Alter sieht der Film einfach richtig gut aus, selbst auf BluRay. Einzig getoppt von der Criterion Auflage (die nochmal in einer anderen Liga spielt) können wir mustergültig sehen, wie viel Detail und Auflösung in so einem Negativ steckt, behandelt man es ordentlich und produziert mit Sorgfalt. Natürlich wimmelt trotz Beleuchtung ganz ordentlich Korn hin und her, denn außer den grundlegenden chemischen Prozessen haben derart alte Schwarzweiß Filme nicht viel mit modernen Hightech Produkten gemein, von digital ganz zu schweigen. Auch hat die Kompression hier und da mit Flächen Probleme und zeigt Artefakte aber das ist Meckern auf höchstem Niveau. Der Cineast in mir lächelt selig vor sich hin bei der Gelegenheit, 70 Jahre in dieser Qualität in die Vergangenheit blicken zu können.

    Genug geschwätzt, davon ab - ich schrieb es bereits - wohnen wir einem Kammerspiel bei. Und was hier an inneren Werten drinsteckt ist schlicht phänomenal und macht das Werk zur Pflicht für Bild- oder Filmschaffende. Nicht spoilerfrei, daher als Dessert nach dem Filmgenuss für Interessierte ein guter Einstieg ist der Überblick des British Film Institute. Weitwinklig und locker geht es in den ersten Minuten des Films zu, doch im Verlauf nehmen die Spannungen stetig zu, die Kamera rückt sukzessive dichter an die Darsteller heran. Bewegt sich die Kamera zu Beginn noch durch den Raum und nimmt Dialogfetzen auf, nimmt die Bewegung kontinuierlich ab um schließlich meist statisch an den Gesichtern zu kleben. Subtil von oben oder unten gefilmte Einstellungen erzielen unterbewusste Bildwirkungen, die Beluchtung ändert sich ... ein Fest, ich sage es euch :)


    Ton: - der (englische) Ton kommt wie sein deutsches Pendant in DTS HD Master Mono. Gut so. Das ist ein Dialogfilm, in dem Musik nur sehr sporadisch vorkommt und Geräusche - von kleinen Akzenten abgesehen - Nebensache sind. Alleine das nahezu völlige Fehlen von Musik ist schon grandios, denn sie fehlt nicht, sie ist einfach nicht nötig. Der Ton rauscht ganz ordentlich, ist aber unterm Strich gut verständlich.


    ---


    Henry Fonda konnte sich auf der Leinwand nicht ertragen und seine eigenen Filme nicht anschauen, so auch diesen. Als er sich aus dem Screeningroom stahl, sagte er leise zu Lumet "Signey, it's magnificent!".


    It is.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!