Gibt es eine sinnvolle Größe von Lautsprecherchassis? Wie groß sollte der Übertragungsbereich eines Lautsprecherwegs sein?

  • Als ich vor einigen Jahren tiefer in das Thema Heimkino eingestiegen war einer der für mich erstaunlichsten Punkte die große Vielfalt an eingesetzten Lautsprecherkonzepten … von klassischen Hifi Lautsprechern über Studiomonitore bis zu PA Lautsprechern und diversen Selbstbauvarianten war alles vertreten.


    Ein Thema, das in diesem Zusammenhang auch immer wieder diskutiert wird ist die Größe der Lautsprecherchassis.

    Beispielweise findet man bei Subwoofern überwiegend Chassis im Bereich von 12‘‘ bis 18‘‘ Durchmesser, es gibt aber auch noch größere Chassis und diskutiert wird auch immer mal wieder, ob nicht eine größere Zahl kleinerer Chassis Vorteile bieten könnte.

    Ebenso finden sich für den Tief-Mitteltonbereich Chassis im Durchmesserbereich von 5‘‘ bis 15‘‘.


    Ich habe mir schon des öfteren die Frage gestellt, ob es eine sinnvolle oder gar optimale Größe von Lautsprecherchassis gibt – natürlich je nach Frequenzbereich.

    Und da der Frequenzbereich eine wichtige Rolle spielt – wie viele Wege sollte ein Lautsprecher sinnvollerweise haben?


    Vielleicht können wir in diesem Thread die verschiedenen Ansichten und Erfahrungen dazu zusammenfassen.

  • Meine Überlegungen dazu …


    Ein Effekt der Größe betrifft die Bündelung, größere Chassis bündeln stärker, kleinere Chassis strahlen breiter ab.

    Für einen ausreichenden Maximalpegel bei tiefen Frequenzen ist ein entsprechendes Verschiebevolumen, also Fläche x Hub, erforderlich.

    Hier sind größere Chassis im Vorteil, weil sie entsprechend weniger Hub benötigen.

    Bis dahin ist das Ganze ziemlich klar.


    Ich stelle mir jedoch auch die Frage, ob es für Lautsprecher am anderen Ende des Spektrums, also im Kleinsignalverhalten Limitationen gibt und wie sich die Größe des Übertragungsbereichs auf das Kleinsignalverhalten auswirkt.


    Da ich eher moderate Pegel bevorzuge und auch Musik in mittlerer Lautstärke in meinem Heimkinoraum höre sind das für mich durchaus relevante Fragen.


    Der Zusammenhang zwischen Luftverschiebevolumen und maximal möglichem Schallpegel eines Lautsprecherchassis kann z.B. mit diesem Berechnungstool ermittelt werden:

    https://www.lautsprechershop.de/tools/t_lautsprecher.htm


    Die wesentlichen Zusammenhänge sind:

    Eine Verdopplung des Verschiebevolumens, z.B. durch eine Verdopplung der Membranfläche oder Auslenkung erhöht den Schallpegel um 6 dB.

    Eine Verdopplung der Frequenz reduziert die Auslenkung (bei gleicher Membranfläche) auf ein Viertel.


    Damit ergeben sich für verschiedene Chassisdurchmesser folgende Membranauslenkungen in Abhängigkeit von Schallpegel und Frequenz:

    (Alle Angaben gelten für Schallpegel in 1 m Entfernung und geschlossene Gehäuse, die Auslenkungen sind in +/-, d.h. halbe Amplitude angegeben.)



    Achtung: Die Auslenkung ist in mikrometer angegeben.

    16.000 µm = 16 mm

    0,004 µm = 0,000004 mm = 4 nm


    Natürlich würde man ein großes Chassis nicht für den Hochtonbereich und ein kleines Chassis nicht für den Tieftonbereich einsetzen.

    Ein durchaus realistischer Anwendungsfall ist jedoch ein 15‘‘ Chassis als TMT in einem Zweiwegesystem.


    Für ein Signal von 1600 Hz mit einem Pegel von 48 dB entspricht das einer Auslenkung des 15-Zöllers von +/- 4 Nanometern.


    Wie verhält sich ein großes Chassis bei so kleinen Auslenkungen?

    Konkret gefragt - könnte es sein, dass sich ein großes Chassis bei sehr geringen Auslenkungen weniger präzise verhält?


    Interessant ist auch die Betrachtung eines komplexeren Signals, das sich z.B. aus 100 Hz mit 108 dB und 1600 Hz mit 78 dB zusammensetzt.

    Nehmen wir dafür ein Zweiwegesystem mit einem 10‘‘ TMT an, damit betragen die Auslenkungen +/- 2,25 mm und +/- 0,000275 mm.

    Die Auslenkungsamplitude des 100 Hz Signals ist 8192 mal so groß wie die des 1600 Hz Signals.

    Wird die kleine 1600 Hz Schwingung in diesem Fall exakt abgebildet, insbesondere wenn sich das Chassis einmal gerade auf dem Wellenberg der 100 Hz Schwingung, einmal im Wellental oder in der Mitte von beidem befindet?


    Wenn ich „mein Gefühl“ zu diesen Fragen zusammenfasse dann würde ich für ein System, das sowohl Grob- als auch Feindynamik „können“ soll, folgende Konfiguration bevorzugen:


    Prio 1:

    Es sollten mindestens 3 Wege sein damit das Mitteltonchassis nicht auch die hohen Auslenkungen für die tiefen Frequenzen abbilden muss und diese großen Auslenkungen nicht die kleinen Auslenkungen der höheren Frequenzen nachteilig beeinflussen.


    Prio 2:

    Weder sollten die Chassis zu klein gewählt werden – damit nicht zu große Auslenkungen erforderlich sind – aber möglicherweise auch nicht zu groß.

    Z.B. würde ich für einen TMT ein 8‘‘ oder 10‘‘ Chassis als goldene Mitte bevorzugen.

    Bei einer mehrfachen Bestückung sind natürlich auch kleinere Chassis möglich.

    Bei einem größeren Chassis, z.B. 15‘‘, würde mir die starke (horizontale) Bündelung für den TMT Bereich nicht zusagen und ich hätte Bedenken hinsichtlich des Kleinsignalverhaltens.

  • Irgendwas irritiert mich da auch: Der 1 Zoll Treiber rangiert von 13,7 Einheiten (mm?) bei 48 dB bis zu 3,6 Mio Einheiten bei 108 dB!?

    Der 15 Zöller macht bei 25 Hz 16000 EInheiten?


    Ist das evtl. die zurückgelegte Wegstrecke der Membran anstelle des Hubes?


    EDIT: So, jetzt habe ich auch endlich den Hinweis Mikrometer gefunden..

  • Micha

    Danke für den Hinweis.


    Ich hatte erst in meiner Tabelle die Frequenzen nur um den Faktor 2 je Zeile erhöht und dann die Zahlen nicht korrigiert als ich um den Faktor 4 erhöht habe, deshalb waren die Werte bei Frequenzen größer als 25 Hz falsch.

    Jetzt sollte es stimmen (passt auch mit der Überprüfung des Berechnungstools bei lautsprechershop.de).


    Damit sind die Auslenkungen bei hohen Frequenzen noch viel kleiner ...

  • Ich nehme hier mal Platz und lese interessiert mit. Gehe ich richtig in der Annahme, dass es neben dem Frequenzbereich, der Membranfläche und der dazugehörigen Lautstärke ebenfalls einen optimalen Bereich der Auslenkung bei eben jenen Parametern geben müsste? So dass es im Umkehrschluss in der Theorie evtl. nur eine Lautstärke gibt, bei der ein Chassis "perfekt" funktioniert?

  • Wie verhält sich ein großes Chassis bei so kleinen Auslenkungen?

    Unabhängig von der Auslenkung bricht die Membran vor allem früh in Partialschwingungen auf. Der innere Teil, der an der Schwingspule befestigt ist, schwingt gleichphasig, der Rest der Membran dann nicht mehr unbedingt. Siehe auch hier.


    Das heißt, je größer die Membran desto tiefer liegen ihre Resonanzen (Moden). Das gilt natürlich für die Spinne und Sicke genauso. Meist sieht man bei Tieftönern irgendwo um 500 Hz rum schon die erste Resonanz. Das Aufbrechen bei > 1 kHz ist dann in der Regel komplett durch Resonanzen geprägt. Diese spiegeln sich auch teilweise in den harmonischen Verzerrungen wider.


    Aber falls du auf sowas wie einen "Losbrechmoment" (genauer: Haftreibung), von dem immer wieder gesprochen wird, hinaus willst. Das halte ich für Quatsch. Dann müsste es ständig knacksen, weil ein ruckartiger Sprung der Membran hochfrequente Anteile im Signal erzeugen würde.

  • Aber falls du auf sowas wie einen "Losbrechmoment" (genauer: Haftreibung), von dem immer wieder gesprochen wird, hinaus willst. Das halte ich für Quatsch. Dann müsste es ständig knacksen, weil ein ruckartiger Sprung der Membran hochfrequente Anteile im Signal erzeugen würde.

    Das würde ich auch nicht erwarten.

    Wie schaut es mit der Homogenität der elektromagnetischen Felder aus?

    Könnten diese dadurch beeinflusst werden da z.B. eine Spule aus diskreten Wicklungen besteht?

  • Wie schaut es mit der Homogenität der elektromagnetischen Felder aus?

    Das ist im Kleinsignal sehr homogen. Man sieht ja in den Klippelmessungen, dass Bl erst bei größerer Auslenkung deutlich sinkt und die Steifigkeit deutlich zunimmt. Um die Nulllage variieren beide nur sehr wenig. Dementsprechend ändern sich auch die TSPs in dem Bereich kaum.


    Was mir noch einfällt: um die Nulllage hat eine mögliche Asymmetrie relativ gesehen größeren Einfluss. Das heißt, es kann sein, dass K2 bei stärkerer Auslenkung erstmal sinkt. Das ist auch etwas, das ich bei vielen Messungen beobachtet habe. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es wirklich daran liegt oder an der Genauigkeit der Messanordnung...


    Könnten diese dadurch beeinflusst werden da z.B. eine Spule aus diskreten Wicklungen besteht?

    Ich denke nicht. Es befinden sich ja zum einen immer mehrere Wicklungen im Luftspalt. Und zum anderen lässt auch außerhalb des Luftspalts das Magnetfeld nicht schlagartig nach.

  • Für ein Signal von 1600 Hz mit einem Pegel von 48 dB entspricht das einer Auslenkung des 15-Zöllers von +/- 4 Nanometern.

    Ein Lautsprecher funktioniert ja auch umgekehrt als Mikrofon. und da steigt die Empfindlichkeit anscheinend mit dem Durchmesser. Je nach Dämpfung des Verstärkers/Weiche beeinflussen Geräusche im Raum den Klang des LS. Siehe z.B:

    RE: 15" Kickbass - Faital 15PR400 - BR Abstimmung

  • Interessante Überlegung MIcha, aber ich glaube, dass mit zunehmend kleinerer Membran auch relativ gesehen bei einem ähnlichen Chassis die Membranmasse und Härte der Aufhängung sinkt und die Empfindlichkeit als Mikrofon ähnlich bleibt. Die entstehende induzierte Spannung der Spule wird natürlich mit größerem Chassis steigen. Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass das relevant wird.

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