Bewertungkriterium Impulsantwort

  • Hallo Freunde,


    Nachdem Nils im Nachbarthread die Eröffnung eines separaten Thread zu obigem Thema angestossen hat, übernehme ich dies mal.


    Nebenan wird sinngemäß diskutiert, dass die Impulsantwort entweder ein probates Mittel zur qualitativen Bewertung eines Lautsprechers ist , oder eben gar nicht und massiv überbewertet wird.


    Bin jetzt nicht sooo der Lautsprechercrack, habe aber auch schon die eine oder andere Kiste gebaut und daher würde ich ein bisschen Wissens-Input zu diesem Thema begrüßen.


    LG


    Uwe

  • Ok, dann fange ich mal an.


    Eine kurze Einführung: die Impulsantwort ist definiert als die Antwort eines Systems auf einen Dirac-Impuls. Das ist idealerweise ein Impuls, der alle Frequenzen gleichgewichtet enthält und somit eine unendlich hohen Bandbreite besitzt. In der Realität ist er natürlich bandbegrenzt. Und da die Messung mit einem Dirac-Impuls zu ungenau ist, wird das in der Regel mit einem Gleitsinus oder gepulstem Rauschen durchgeführt. Aus diesen Anregungssignalen lässt sich die Impulsantwort ausrechnen. Das machen Messprogramme wie ARTA oder REW.


    Die Impulsantwort wird in der Regel auf einer linearen Zeitachse und einer linearen Pegelachse aufgetragen. Teilweise auch in Prozent.


    Aus der Impulsantwort lassen sich diverse andere Darstellungen herausrechnen, z.B.

    • Amplitudengang
    • Phasengang
    • Gruppenlaufzeit
    • Abklingspektrum (Wasserfall)
    • harmonische Verzerrungen
    • usw.


    Das alles steckt in der Impulsantwort. Und diese Auswertungen sind meist deutlich besser lesbar für ihren Zweck. Weiterhin sind sie logarithmisch skaliert, was unserer Wahrnehmung entspricht (z.B. entspricht auf der Frequenzachse eine Verdopplung einem konstantem Abstand).


    Da die Impulsantwort sowohl Amplituden- als auch Phasengang beinhaltet, reagiert sie dementsprechend auf Änderungen an diesen beiden.


    Hier z.B. ein linearphasiger Tiefpass (reine Amplitudengangverzerrung) bei 1000 Hz mit 4. Ordnung. Das leichte Vor- und Nachschwingen wird durch die FIR-Filter erzeugt.


    Der Amplitudengang zeigt den Tiefpass:



    Und hier ein Allpass (reine Phasenverzerrung) bei 1000 Hz mit 4. Ordnung. Das relativ lange Nachschwingen ist eine Folge der Phasenverzerrung.


    Die Gruppenlaufzeit zeigt das auch sehr schön:



    Weiterhin sorgen Resonanzen (auch Moden) für langes Nachschwingen in der Impulsantwort. Hier eine starke, schmalbandige Resonanz bei 1000 Hz mit 15 dB Überhöhung, wie sie Treiber typischerweise beim Aufbrechen der Membran zeigen.


    Der komplexe Frequenzgang dazu:


    Genauso kann so eine Resonanz minimalphasig entzerrt werden, dann verschwindet sie in allen Auswertungen. Das heißt, sowohl das Amplituden- als auch das Zeitverhalten kann komplett kompensiert werden. Aber das ist hier eigentlich nicht das Thema.


    Warum halte ich die Impulsantwort für ungeeignet, um Rückschlüsse auf den Klang zu schließen?

    Zunächst gehen, wie oben geschrieben, alle Frequenzen gleichgewichtet ein. das heißt, dass die oberste Oktave bis 20 kHz die Hälfte der Frequenzen beisteuert. Also unverhältnismäßig viel und umgekehrt. Weiterhin entspricht die Impulsantwort nicht dem, wie wir hören. Sie kann absolut schrecklich aussehen und trotzdem versagt so gut wie jeder im Blindtest.


    Hier das Beispiel eines 3-Wegers mit minimalphasiger Trennung bei 500 Hz und 2500 Hz mit 4. Ordnung:


    Und der komplexe Frequenzgang dazu:


    Das ist ein stinknormaler 3-Weger, den man so passiv oder aktiv bauen kann. Man kann diese Phasenverzerrung im Nachhinein per FIR-Filter kompensieren. Dann sieht die Impulsantwort gut aus, sogar Rechtecksignale. Und doch ist der Klang praktisch unverändert. Ich habe schon vor langer Zeit den Selbsttest gemacht und konnte keinen Unterschied hören. Und selbst wenn ihn jemand mit sehr viel Übung hört, so korreliert er in keinster Weise mit dem scheußlichen Anblick der Impulsantwort. Man lässt sich allzu leicht verleiten, jedes Gezuppel dort komplett überzubewerten.


    Weiterhin wird es wirklich wirr, wenn sich mehrere Resonanzen überlagern. Dann wird es komplett unübersichtlich. Da sind Amplituden-, Phasengang, Gruppenlaufzeit und Abklingspektrum die deutlich nützlicheren Auswertungen. Dort kann man direkt ablesen, bei welcher Frequenz sich die Resonanzen befinden und ggf. behandelt bzw. entzerren.

  • Danke für Deine Erläuterungen zum Thema Impulsantwort, die ich leider auch nur zum Teil verstanden habe.
    Bisher habe ich der Impulsantwort aus REW nur wenig bis keine Aufmerksamkeit geschenkt.

    Anders ist das mit der Sprungantwort bzw. Step Grafik. Gerade auch beim einstellen des DSP (Delay, Phase ect.) finde ich das sehr hilfreich. Treffen Deine Ausführungen in gleichen Maße auch für die Sprungantwort zu, weil diese nur eine andere Betrachtung des Zeitverhaltens darstellt.

  • Anders ist das mit der Sprungantwort bzw. Step Grafik. Gerade auch beim einstellen des DSP (Delay, Phase ect.) finde ich das sehr hilfreich. Treffen Deine Ausführungen in gleichen Maße auch für die Sprungantwort zu, weil diese nur eine andere Betrachtung des Zeitverhaltens darstellt.

    Ja, im Grunde schon. Die Sprungantwort ist das Integral über die Impulsantwort. Es gibt also einen starren Zusammenhang zwischen beiden.

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